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Wahlkampf oder Party

Wann ist weniger mehr?

Stefan Brackmann, 27. Juli 2024 10:00 Uhr

Wir machen Wahlkampf

Der Wahlkampf in den USA spitzt sich zu. Nicht erst seit dem völlig unakzeptablen Attentat auf Donald Trump stellten sich dem Betrachter zahlreiche Fragen. Meistens hatten sie der Wahrnehmung nach - mit Alter, Gebrechlichkeit oder Vorstrafen zu tun. Eine ernsthafte politische Debatte ist in diesem ganzen Umfeld wohl weder möglich noch sinnvoll gewesen.

Was mich jedoch immer wieder erschreckt, sind die hohen Kosten, die in den Staaten für den Wahlkampf entstehen. Für die Wahl im Jahr 2020 waren es 14.400.000.000 US-$. Was für eine Zahl! Das wäre mehr als 40 US-$, den jeder US-Bürger im Durchschnitt dafür hätte aufwänden müssen. In dieser Wahlsaison erleichtert zum Beispiel Elon Musk den Aufwand für den Einzelnen, spendet er doch 35.000.000 US-$ im Monat nur für den Wahlkampf.

Ich weiß nicht, was ein T-Shirt von Hulk Hogan kostet, aber seine Unterstützung für Donald Trump endete nicht nur mit markigen Worten, sondern auch mit dem Zerreißen des Kleidungsstücks. Immer mehr Künstler fühlen sich ermächtigt, ihre politische Meinung nach außen kundzutun.

Spätestens hier muss ich eingreifen. Ist nicht Politik eine Privatsache? Jeder kann doch für sich entscheiden, sich selbst informieren und sich eine Meinung bilden, oder ist das zu viel verlangt? Benötige ich ein Vorbild, einen Souffleur, der mir vorsagt, was ich zu tun habe? Was hat Show, Sport und Freizeitvergnügen mit Politik gemein? Sind das nicht völlig voneinander unabhängige Gegebenheiten.

Wenn ich das eine mit dem anderen verknüpfe, dann entstehen doch Spannungen. Muss ich dann bei einem Fußballspiel (in den USA entsprechend Football) meines Lieblingsvereins auch den Politiker unterstützen, den der Trainer oder der beste Spieler anpreist?

Welche Show, welcher Sport ist es wert, durch Politik beeinträchtigt zu werden. Haben wir nicht bereits durch die letzten großen Fußball-Events auf dieser Welt genug dieser „feindlichen Übernahme“ des Sports durch die Ideologie einzelner Politiker mitansehen müssen?

Was haben Politiker außer den für Sport zuständigen Innenminister in einem Stadion zu suchen? Sie können sich gerne privat dort aufhalten, aber den Sport zu Werbezwecken zu missbrauchen und auch noch Steuergelder dafür aufzuwenden, ist mehr als befremdlich.

Wie sieht denn der Wahlkampf hier bei uns aus? Wie viel Zeit müssen Politiker für den Wahlkampf aufwenden. Es geht das Bonmot um, dass es zwischen den Wahlen kaum Zeit gibt, sinnvolle Arbeit zu leisten. Erst muss man sich eingewöhnen und einarbeiten, dann etwas zum Gelingen der aufgestellten Ziele beitragen und schon beginnt der nächste Wahlkampf. Wie gesagt, es ist nur eine Redewendung, ein Schelm, wer meint, da wäre etwas Wahres dran. Denn die Arbeit ist ja für führende Politiker außerordentlich anstrengend, müssen sie doch wöchentlich durch zahlreiche Talkshows tingeln und sich dem Publikum positiv darstellen.

Was für eine Verschwendung! Wäre die Zeit nicht besser zu verwenden? Gibt es keine wichtigen Aufgaben zu erledigen? Die Krisenherde dieser Welt, die Finanzierung des Haushaltes, das Aufrechterhalten unserer öffentlichen Ordnung und nicht zu vergessen, die Bildung unserer zukünftigen Generation(en) sind Aufgaben, die es zu bewältigen gibt. Und diese löst man nicht in Talkshows, sondern in Ausschüssen, in Sitzungen und Streitgesprächen.

Da jedoch viele Dinge aus den USA früher oder später auch bei uns Fuß fassen es spielt übrigens keine Rolle, ob sinnvoll oder nicht werden bald auch hier Wahlkampfshows zu sehen sein. Hoffentlich gibt es keine Unfälle, wenn ein führender Politiker in einer Show von Helene Fischer am Trapez durch das Stadion befördert wird.

Müssen wir wirklich alles von den Amerikanern übernehmen? Uns von unseren eigenen Idealen und Werten immer weiter entfernen? Wann können wir noch umsteuern oder ist die Zeit bereits vorbei?

Sollten nicht sachliche Argumente mehr zählen als viele Banner, aufwändige Shows und eine Großveranstaltung mit vielen Prominenten? Sind wir nicht mehr fähig, die uns drückenden Probleme zu definieren und herauszufinden, wer diese ernst nimmt? Dazu benötige ich nur eine offizielle Pressekonferenz, auf der sich jeder Politiker / jede Partei darstellt. Das kann durchaus auch mehrmals mit unterschiedlichen Themen durchgeführt werden.

Denn eines bleibt bei dem ganzen Spektakel auf der Strecke:

Der Fokus auf die Politik, auf die Arbeit an unseren Zielen als Ganzes.

Es gibt viele gute Ansätze und hervorragende Politiker in der zweiten Reihe und in kleineren Parteien, die nicht die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit genießen. Und auch kein (großes) Budget für den Wahlkampf zur Verfügung haben. Aber ist eine große Show ein Indiz für die politische Leistung? Ist nicht die Arbeit in einer Partei ein Ehrenamt, das man auch entsprechend bekleiden sollte?

Wenn Politiker ehrlich zum Wähler wären, dann müssten sie sehr sorgfältig mit dem Geld der Bürger umgehen, denn viele müssen aktuell bereits beim T-Shirt-Kauf aufpassen, ob es noch ins Budget passt. Eine Karte für eine große Show können sich immer weniger leisten.


Stefan Brackmann
Bundesvorsitzender
DIE FÖDERALEN