Die hohen Energiekosten beschäftigen uns aktuell alle sehr. Da ist es verständlich, dass Vieles hinterfragt wird. War Gas vor kurzem noch die Energieversorgung der Stunde, insbesondere für Eigenheimbesitzer, ist das nun nicht mehr der Fall. Starke Preisveränderungen an den Märkten (Aktien-, Renten-, Rohstoff- und Immobilienmärkte) sind seit jeher auf Ungleichgewichte zurückzuführen.
Doch woher kommen diese Ungleichgewichte? Diese Frage stellen sich Ökonomen regelmäßig, um Anpassungsprozesse beschreiben zu können, Fehlentwicklungen rechtzeitig zu erkennen und um Ideen zur späteren Vermeidung zu entwickeln.
Da ist es auch nicht verwunderlich, wenn bekannte Gesichter sich zu diesem
Thema zu Wort melden. Als Auslöser für diesen Artikel dient in diesem
Zusammenhang eine Aussage von Dirk MĂĽller, der sich in seinem Kanal
Cashkurs
am 22. September 2022 auch zum aktuellen Strompreis geäußert
hat.
In diesem Beitrag versucht er, die Höhe der Strompreise zu erläutern. Die
Ăśberschrift des Videos zeigt schon auf, in welche Richtung der Inhalt gehen
wird. Hier wird das Handelsprinzip der Merit-Order herangezogen, um eine
skrupellose Wirtschaftszerstörung
, die absichtlich herbeigefĂĽhrt wird, zu
begrĂĽnden.
Hier entsteht der Eindruck, er hätte Ahnung vom Strom-(preis)-Markt und einen tiefen Einblick in die Strukturen. Das scheint jedoch ob der Ausführungen fraglich.
Spot- vs. TerminmarktHerr MĂĽller spricht in seinen AusfĂĽhrungen ausschlieĂźlich vom sogenannten
Spotmarkt. Das ist der Markt fĂĽr kurzfristige Lieferungen. Dieser hat jedoch
nur einen Anteil von unter 14 % am gesamten Strommarkt. (Stand: 2021) Die
meisten Kontrakte (ĂĽber 86 %) werden jedoch am Terminmarkt und damit
langfristig ausgehandelt. Das dazu vorhandene Basisinformationsblatt seitens
der EEX (European Energy Exchange) beinhaltet folgende Aussage: 

Warnhinweis: Sie sind im Begriff, ein Produkt zu erwerben, das nicht einfach
ist und schwer zu verstehen sein kann.
Aus den beiden unterschiedlichen
Handelsweisen, die es in vielen Handelsbereichen gibt und gab, entstehen immer
wieder Problemfelder. Unternehmen verkaufen langfristig Strom an Endkunden und
decken sich nicht in gleicher Menge am Terminmarkt ein, in der Erwartung durch
später sinkende Preise einen höheren Gewinn erzielen zu können. Wenn die
Preise, wie zuletzt geschehen, nur eine Richtung kennen, geraten solche
Unternehmen in eine bedrohliche Situation. Durch solche Fehlspekulationen sind
schon viele Unternehmen in kritische Bereiche abgedriftet bis zu
Konkursverfahren.
Die sogenannte Merit-Order kam lange Zeit den erneuerbaren Energien zugute. Insbesondere diese mit Grenzkosten nahe null agierenden Unternehmen wurden dadurch belohnt. In seinen Ausführungen findet Herr Müller kein gutes Wort an diesem Prinzip. Er ist der Meinung, es gehöre abgeschafft und würde von einzelnen Anbietern schamlos ausgenutzt.
Ist es nicht aber so, dass in einem marktwirtschaftlichen System ein Unternehmen bestrebt sein muss, fĂĽr sich das Beste aus dem Markt zu erwirtschaften? Herr MĂĽller ist als Kritiker der Marktwirtschaft bekannt. So lange hier keine kriminellen Machenschaften zu erkennen sind, sondern ausschlieĂźlich marktinduzierte Ungleichgewichte ausgenutzt werden, ist hieran nichts auszusetzen.
Was man bedenken kann, wäre eine Anpassung der Merit-Order, um extreme Marktunterschiede abzumildern. Das wäre durch kleine Anpassungen möglich.
Ursache und WirkungDie Grundlage für die aktuelle Situation wurde bereits vor langer Zeit gelegt. Der Rückzug aus konventionellen Energieformen hat uns in Abhängigkeiten geführt. Wenn diese Abhängigkeiten jetzt durch politische und kriegerische Auseinandersetzungen zu Verzerrungen an den Märkten führen, ist ein Nachdenken erforderlich. Ein Nachdenken, was ursprünglich für die Situation verantwortlich ist. Ohne Not die sichersten Kraftwerke nicht weiter zu nutzen ist ideologisch bedingt und muss dringend hinterfragt werden.
FazitWenn man Experten
unwidersprochen vertraut, dann hat man das
wissenschaftliche Prinzip nicht verstanden. Hier bedarf es eines Diskurses, der
alle Seiten des Themas bedenkt und unterschiedliche Möglichkeiten
durchleuchtet. Das muss die Grundlage allen Handelns sein. Ideologische
Vorprägungen verzerren die Einschätzung und müssen verhindert werden.
Die Energieversorgung gehört zur Grundversorgung, wie die Wasserversorgung, unsere Verkehrs-Infrastruktur sowie unsere Netz-Infrastruktur. Wer sich die Entwicklung in diesen Bereichen einmal kritisch anschaut, wird sehr schnell merken, was unser Problem ist.
Wir haben verlernt, uns auf die Zukunft vorzubereiten und denken viele Dinge nicht zu Ende.
Stefan Brackmann
Bundesvorsitzender
DIE FĂ–DERALEN
Quellen:
https://www.cashkurs.com/cashkurs-tv/beitrag/marktupdate-vom-22-september-2022
https://youtu.be/6VC_6mG0-9U
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/12486/umfrage/entwicklung-der-eex-handelsvolumina/
https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/merit-order-effekt-53696