Es ist Sommer und es ist der erste Sommer seit zwei Jahren indem die meisten von uns neunzig Prozent ihrer Zeit ohne Maske leben können. Die Pandemie scheint fast überstanden, wenn wir auch mit verunsicherten Auge nervös auf den kommenden Herbst und Winter blinzeln. Und zur Freude aller…alle kommen auch wieder aus ihren Löchern! Es wird wieder gelebt.
Die zwei Jahre zuhause haben viele kreativ gemacht oder Neues zurückgehalten. Und so kam es, dass ich mich gleich auf mehrere Musikalben gleichzeitig freuen konnte. Und nachdem ich alle einmal gehört hatte, fiel mir auf, dass alle einen Song über Angst enthalten. Hört man die Texte wirklich an, geht es nicht nur um irgendeine Angst, sondern bei allen um tägliche Ängste. Natürlich haben Künstler auch früher Ängste in Songs und Kunstwerken spezifisch, unspezifisch, offener oder versteckter verarbeitet, aber es war nie eine solche Mengen auf einmal. Es war meist nicht das Ausmaß beschrieben, was einen Fragen lässt, ob es um unbändigbare Ängste geht.
Für mich stellt sich nun die Frage:
Haben wir nach zwei Jahren Pandemie-Politik und einem offenen Umgang mit der
Angst vor Krankheit, Tod, Verlust oder auch Ausschluss und Existenzängsten
einen Zustand erreicht, indem zumindest Ängste und Phobien nicht mehr
stigmatisiert werden?
Oder wurde in den letzten zwei Jahren so viel Angst
geschürt, durch ein ständiges Drohen mit dem Tod, Spätfolgen, Verlusten und der
Intensivstation, dass eine große Masse an Menschen nun ernsthafte
Angststörungen erleidet oder zumindest mehr mit Ängsten zu kämpfen hat als
vorher?
Ich kam durch Musik hören auf diese Fragen. Also wie sieht die Realität aus? Wie sieht die Welt der Menschen, die ihre Gedanken nicht in einem Kunstwerk veröffentlichen aus?
Es gibt erstaunlicherweise wirklich regionale Unterschiede. Jedoch gibt es in Deutschland Regionen, in denen jeder der die weggefallenen Maßnahmen genießt, sich mindestens einmal am Tag fragt, ob das mit dem Wegfallen der Regeln an dieser Stelle des Lebens wirklich so war. Das was jetzt gelebt wird und dass was erlaubt ist, ist im Frühjahr 2022 eine riesiger Unterschied.
Die Menschen haben Angst. Sie machen freiwillig mit den Maßnahmen weiter. Die von außen geschürte Angst lässt sie auf Nummer sicher gehen. Egal wie warm es inzwischen wieder ist. Egal wie ekelhaft die stickige Luft und der Schweiß unter der Maske ist. Wer gesund sein will, muss leiden!
Zum wiederholten Mal, muss nach den Folgen der Maßnahmen gefragt werden. Es muss gefragt werden, wie sich eine Gesellschaft voller Mysophobiker weiterentwickelt. Wie kann das neueste kollektive Traumata verarbeitet werden? Was hat es für Folgen für die nächsten Generationen?
Wir haben 2020 gelernt, wie schnell sich eine Gesellschaft verändern lässt. Wir konnten sehen, wie stark ganze Völker in ihren Einstellungen, Werten und Lebensweisen innerhalb von Wochen beeinflusst werden konnten. Jetzt wo massive, weit verbreitete Phobien geschaffen sind, ist es Zeit für ein neues Projekt: Wir sollten alles tun, um den Menschen zu lernen, wie sie mit ihren Ängsten umgehen können, wie sie die loswerden und wie man trotz der eigenen Ängste andere, speziell Kinder und Jugendliche, mutig macht.
Bei dieser Thematik geht es nicht mehr um Schuld oder Fehler. Es geht darum, die Welt wieder in Ordnung zu bringen, mit allen verfügbaren, gut gewillten Kräften. Dabei kann auch die Kunst helfen, denn sie gibt den einen die Möglichkeit auszudrücken, was sie empfinden und den anderen eine Chance zu merken, dass sie nicht allein mit einem Problem sind. Die Politik kann helfen, da die Menschen davon ausgehen, dass sie den Politikern zumindest in einem gewissen Maß vertrauen können und ihnen auch ein bestimmtes Maß an Bildung und Vernunft zugestehen.
Maren Zaidan
Bundesvorsitzende
DIE FÖDERALEN