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Wir lieben unsere Feinde!

Die Gründe warum wir nicht von unseren Feinden loslassen können

Maren Zaidan, 20. Juli 2020 15:48 Uhr

Mit manchen Menschen kommen wir nie auf einen grünen Zweig

Wir könnten uns stundenlang über sie aufregen, wir könnten die gemeinsten Witze über sie reißen, wir finden sie extrem nervig und gemein. Unsere Feinde. Egal wie alt wir sind und egal wie offen wir unsere Feindschaften ausleben (vielleicht situations- und sozialisationsbedingt), wir haben sie alle. Und obwohl wir alle das Gefühl nicht mögen, in Feindschaft zu leben, bleiben uns viele Feindschaften erhalten. Nur warum?

Ganz am Anfang unseres Lebens betrachten wir alles neutral. Wir wissen noch nicht wer uns etwas Gutes tut und wer uns etwas Schlechtes anhaben will. Nach einer Weile merken wir, dass Mama und Papa uns beispielsweise gut tun und der Doktor ein gemeiner Mensch ist mit einer sehr scharfen Nadel! Passieren die falschen Dinge am Anfang unseres Lebens, ist es auf gewisse Weise besser, wieder nicht mehr zu bewerten. Wir sind als Kinder zum Beispiel abhängig von den Eltern und können sie nicht zu Feinden erklären. Auch wenn es erst mal gut klingt, keinen Menschen schlecht zu bewerten, hat es auch Nachteile. Kommen wir jetzt zu dem Schicksal, welches die meisten von uns teilen: unsere ewigen Feinde.

Unsere Feinde — und ich möchte an dieser Stelle betonen, dass ich in diesem Text eine sehr breite Auslegung von „Feind“ benutze — sind uns in manchen Fällen sehr ähnlich, manchmal sogar ähnlicher als unsere Freunde. Sie halten uns täglich einen Spiegel vor und zeigen uns mit ihrem Verhalten, was andere an uns selbst vielleicht überhaupt nicht mögen. Die beste Kindheitsfreundin von der man sagte, sie würde lebenslang denselben Weg gehen und man würde ewig befreundet bleiben, wurde irgendwann zur Feindin. Sie geht tatsächlich denselben Weg und nervt nicht nur, weil sie ohne Kontakt dasselbe tut, sondern auch weil sie ein Abbild von dem ist, was man nicht sein möchte, aber in Wirklichkeit ist. Ihr Verhalten regt uns auf und um unser Selbstbild nicht zu zerstören, streiten wir die Gemeinsamkeiten ab.

Andere Feinde sind genau das Gegenteil von uns. Sie können all das was uns schwer fällt und machen alles falsch, was wir grundsätzlich beherrschen. Wir können über ihre Fehler lachen und ertragen ihre Stärken kaum. Wir analysieren ihre Missgeschicke bis ins kleinste Detail und werten ihre Erfolge ab. Bezugnehmend auf das Beispiel oben, ist dies nun das Kind, das gut in Mathe war, während wir gut in Deutsch waren; das Kind das bei Erwachsenen gut ankam, als wir viele gleichaltrige Freunde hatten, aber Erwachsene nur an uns herumgenörgelt haben. Diese Art der Feinde motiviert uns, die eigenen Schwächen auszumerzen und aus den eigenen Stärken Selbstvertrauen zu ziehen.

Beide Feindbilder gibt es für Einzelpersonen, wie auch für Gruppen. Vielleicht erklärt es, warum auch Gruppen, die sich sehr ähnlich sind bekriegen und andere Gruppen sich spalten. Von außen sind die Unterschiede oft kaum ersichtlich. Ihr könntet doch Freunde sein. ist bei Gruppen das Seht doch endlich (wieder) die gemeinsamen Ziele..

Eines haben beide Arten von Feinden gemeinsam. Sie lassen uns wachsen. Unsere Feinde bringen uns in einen Konkurrenzkampf. Konkurrenz belebt das Geschäft. Wir wollen besser werden, um zu überleben. Unsere Feinde zwingen uns zu sozialen Vergleichen und Selbstreflexion. Durch unsere Feinde denken wir darüber nach, warum wir an welchen Stellen verlieren. Sie lassen uns ständig abgleichen, wie erfolgreich wir in welchem Bereich des Lebens sind. Unsere Feinde zeigen uns auf, was wir an uns selbst noch ändern müssen. Bei Freunden und Partnern sagt man, sie sollten eine gute und richtige Mischung aus Gegenteilen und Gemeinsamkeiten mit uns haben. Bei unseren Feinden trifft scheinbar dasselbe zu. Auch an dieser Stelle gilt es also wieder einmal unsere menschliche Natur zu akzeptieren und das Beste daraus zu machen. Liebe Feinde, ich brauche euch genauso sehr wie ich meine lieben Freunde brauche! ;-)



Maren Zaidan
Bundesvorsitzende der Partei DIE FÖDERALEN
Essen, den 20.07.2020