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Anspruchsdenken

Wann ist zu wenig zu wenig?

Stefan Brackmann, 8. September 2022 10:20 Uhr

Politiker sollten Vorbilder sein.

Darf man heute noch Ansprüche haben? Zum Beispiel an die Fähigkeit eines an der Regierung Beteiligten, dieser Aufgabe auch gerecht zu werden. Meiner Meinung nach darf man diese Ansprüche haben, ja sie sind sogar zwingend erforderlich!

Leider ist die Gesetzgebung da nicht so drastisch. Eine Anfrage an den wissenschaftlichen Dienst des Bundestages im November 2020 zu diesem Thema kam zu folgendem Fazit:

Die Auswahl der Bundesminister liegt in der Personalkompetenz des Bundeskanzlers nach Art. 64 Abs. 1 GG. Eine einfachgesetzliche Regelung, die diese Kompetenz einschränken würde, wäre verfassungswidrig. Eine Regelung im Grundgesetz zur Berücksichtigung der fachlichen Eignung bei der Ernennung von Bundesministern wäre möglich.

Die Fragen nach der Qualifikation unserer Bundesminister sind in der öffentlichen Wahrnehmung aktuell sehr präsent. Die Aussagen und das Handeln unserer Apologeten scheinen von bisherigen Erkenntnissen teilweise weit entfernt zu sein. Von Fehlbesetzung, fehlender Ausbildung oder sprachlichen Fehlleistungen ist immer öfter die Rede.

Wie konnte es so weit kommen? Ein Indiz seit langem ist die ungezügelte Ausdehnung unseres Staatsapparates. Immer mehr Bedienstete scharen sich um die Minister, Staatssekretärposten sind so zahlreich wie nie. Die geplante Ausweitung des Kanzleramtes sowie unfassbare Aufträge an Beraterorganisationen sprechen ihre Sprache.

Wird hier etwa ein in sich geschlossener Raum installiert? Widersprüche und andere Meinungen werden damit aus dem Umfeld ausgeschlossen. Wer wird schon in die Hand, die ihn nährt, beissen?

Ein weiterer Aspekt heutigen Handelns kommt mir in den Sinn. Die Geschichte vom Feuerwehrmann, der den Brand selbst gelegt hat. Er möchte als Retter gefeiert werden. Ähnlich gestaltet sich wohl auch das Münchhausen-by-proxy-Syndrom. Hier wird eine Rolle des aufopferungsvoll Pflegenden gespielt, die teilweise vorher stattfindende Misshandlung jedoch billigend in Kauf genommen.

Selbst wenn das Handeln unserer Vorzeige-Politiker nicht mutwillig oder krankheitsbedingt erfolgt, so bleiben doch Fragen offen. Wer hat den Mut, diese Fragen zu stellen und wer ist berechtigt, diese zu beantworten?


Stefan Brackmann
Bundesvorsitzender
DIE FÖDERALEN