Der Britische Bildungsminister sieht in der aktuellen Cancel Culture eine
Gefahr und möchte gegen diese per Gesetz vorgehen. Er kennt das Problem aus
eigener Erfahrung, da er der einzige britische Politiker ist, dessen Interview
während einer Live Sendung einfach abgebrochen wurde. Zeitgleich haben sich in
Deutschland Universitätsprofessoren zum Netzwerk Wissenschaftsfreiheit
zusammengeschlossen. Sie sehen den Forschungsraum und die Gästeliste für
Vorträge an Hochschulen eingeschränkt durch die Cancel Culture. Ich hatte
bereits zuvor im Artikel Cancel Culture, Political Corectness und ihre Freunde
über Cancel Culture geschrieben und in anderen Artikeln darauf angespielt.
Beide Ansätze sind gut gemeint, aber wie lässt sich Cancel Culture in Realität bekämpfen? Ein Gesetz wird manche Menschen vielleicht zum Nachdenken bringen, wie weit sie es wagen wollen zu gehen. Doch ist Cancel Culture nicht etwas sehr subtil durchführbares? Indem man gewisse Personengruppen stillschweigend gar nicht erst einlädt oder gewisse Themen nicht behandelt, muss auch nicht begründet werden warum. Es wird auch keinen Skandal geben, warum ein bestimmter öffentlicher Auftritt der letzte war.
Ein Zusammenschluss von Professoren gegen Cancel Culture kann anderen Mut machen und aufklären. Es kommt aber darauf an inwieweit diese Öffnung in alle Richtungen auch von den restlichen Mitarbeitern der Hochschulen, sowie den Studenten, akzeptiert wird. Cancel Culture an Hochschulen kam bisher oft auch dadurch zustande, dass Studenten Vorträge von Gastrednern oder für sie nicht legitime Themen sabotiert und bestreikt haben.
Wenn man sich mit dem Vorschlag von Gavin Williamson beschäftigen möchte, erlebt man die Ironie der Cancel Culture. Es fällt sehr schwer detaillierte Informationen im Internet zu finden. Die meisten geschriebenen Artikel werden zudem hinter Paywalls versteckt. Das Thema Cancel Culture ist natürlich unangenehm für die, die sie mitmachen.
Wir brauchen Rede- und Meinungsfreiheit in allen Bereichen des Lebens. Um diese wieder in Kraft zu setzen, können meiner Meinung nach sowohl Netzwerke als auch Gesetze helfen. Die ersteren zur Aufklärung anderer, die wenigstens noch bereit sind zuzuhören und die letzteren, um zumindest einen gewissen Teil der Redaktionen abzuschrecken oder die Hürden zu erhöhen. Für eine wirkliche Rede- und Meinungsfreiheit braucht es jedoch einen Meinungswandel und eine Öffnung gegenüber allen Argumenten im Großteil der Bevölkerung. Diesen Wandel zu erreichen ist schwer.
Wer sich ehrlich umschaut, merkt schnell, dass in allen politischen und sozialen Lagern, die Meinung des anderen unangenehm ist. Wer von der Meinung des festgelegten oder unausgesprochenen Oberhauptes abweicht, wird in den meisten Gruppen zur Seite gedrängt. Manchmal bewahrheiten sich die zuerst am meisten abgelehntesten Meinungen. Den Charakter dann zuzugeben, dass die Außenseiter recht hatten, haben die meisten Menschen nicht. Es geht nicht darum, dass alle jede Meinung gut finden und alle Freunde werden. Das wäre auf andere Art dasselbe Ergebnis, wie das Resultat der Cancel Culture. Wir brauchen Gruppen in denen Gemeinsamkeiten vorliegen. Gruppen die zusammenhalten und in Debatten mit anderen in der Meinung abweichenden Gruppen treten. Es geht darum einfach wieder zuzuhören und niemanden den Mund zu verbieten. Im nächsten Schritt muss dann auch über das gesagte nachgedacht werden.
Die aktuelle Medienwelt und die aktuellen Meinungsführer sehen diese Probleme natürlich nicht. Wer selbst nicht ausgeschlossen wird, hat kein Problem und wer sich in einer guten Position für die Ausgeschlossenen stark macht, riskiert nur den eigenen Status.
Es darf keinen Mut mehr kosten, eine eigene Meinung auszusprechen. Eine eigene Meinung darf nicht mehr gegen die eigene finanzielle Situation, die Freundschaften, den Job oder den Sozialstatus abgewogen werden müssen, auch wenn sie den anderen (erstmal) nicht gefällt.
Maren Zaidan
Bundesvorsitzende
DIE FÖDERALEN
https://www.independent.co.uk/voices/gavin-williamson-free-speech-culture-wars-b1803051.html
https://www.netzwerk-wissenschaftsfreiheit.de/