Es gibt für alles eine Lösung. Das ist einer der Standardsätze unserer Gesellschaft. Wird die angebliche Lösung dann vorgelegt, vermehren sich oft die Probleme. Mal, weil es eben doch komplexer ist und mal, weil vorgelegte Lösungen nicht so gut angenommen werden und überzeugen wie selbst erarbeitete.
Beim Thema Einsamkeit ist das oft genauso. Du bist einsam? Dann geh in einen Verein, besuch deine Familie und werde endlich etwas sympathischer! Die Realität derer, die betroffen sind, sieht oft anders aus. Und das Gefühl allein zu sein oder die Bedingungen dafür sind nicht immer gleich.
Es scheint ein softes Thema zu sein und eines, was von vielen lieber verdrängt wird. Über so etwas spricht man besser nicht, denn die Betroffenen sind problematisch, außer natürlich die, die ich selbst kenne! Das Thema ist irrelevant, wir sollten uns besser um die Wirtschaft kümmern! Das ist unserer Meinung nach zu kurz gedacht. Einsamkeit hat Konsequenzen. Man könnte sogar sagen, sie vermehrt sich. Wer einsam ist, erleidet hohe emotionale Belastungen. Diese machen krank und lenken ab. Auch der Wirtschaft tut das nicht gut! Unserer Gesellschaft und unserer Demokratie tut das nicht gut. Denn wer einsam ist, fühlt sich allein gelassen, ist frustriert und eventuell auch eifersüchtig auf die, denen es sozial besser geht. Das Gefühl, allein gelassen zu werden, führt zu noch mehr sozialem Rückzug. Umso mehr Menschen allein sind, umso mehr Menschen fehlen, um Freunde, Verwandte oder gute Bekannte zu sein. Einsamkeit hat auch etwas mit den harten Fakten und Themen zu tun!
Die Frage wirkt zunächst trivial, doch sie spielt eine Rolle, wenn die Politik sich ihr widmet.
Einsamkeit [engl. loneliness], [EM, GES, SOZ]. Einsamkeit lässt sich als Beziehungsdefizit def., das v. a. bezogen auf freundschaftliche, romantische-sexuelle, familiäre und nachbarschaftliche Beziehungen (soziale Beziehungen) auftritt (Schmidt & Sermat, 1983). Außerdem kann sich Einsamkeit im Berufsbereich manifestieren (Wright & Silard, 2021). Das Gefühl der Einsamkeit tritt bes. im Zus.hang mit einem Defizit an Kontakten im freundschaftlichen Bereich auf. Zustimmung zu der folgenden Feststellung steht für ein solches Defizit, das mit mehr erlebter Einsamkeit verbunden ist:
Ich habe wenig Freunde, bei denen ich mich darauf verlassen kann, dass sie ihren Teil einer gegenseitigen Verpflichtung einhalten.Einsamkeit ist mit einem neg. Gefühl verbunden, das entsteht, wenn eine neg. Diskrepanz zw. erwünschten und tatsächlichen soz. Kontakten wahrgenommen wird (Cacioppo et al., 2015).
Quelle: Definition Einsamkeit Dorsch Hofegrefe
Auch andere Definitionen und Erklärungen machen klar, dass es nicht die Einsamkeit gibt. Ein Urteil über das Gefühl Einsamkeit eines anderen ist unmöglich, auch wenn viele in unserer Gesellschaft sich das in die eine oder andere Richtung anmaßen. Was für den einen Einsamkeit bedeutet, kann für den anderen alles andere als einsam sein und umgekehrt.
Was lernen wir daraus? Zunächst einmal, dass niemand darüber urteilen
sollte, wenn ein anderer sich einsam fühlt. Genauso ist es nicht sinnvoll,
einem anderen einzureden, er wäre einsam. Erster Anhaltspunkt ist hier die
Introversion, Extraversion und das unterschiedliche Bedürfnis nach
Geselligkeit.
Aber für politische Kampagnen und statistische
Auswertungen macht es das schwer. Wie kann erfasst werden, wer einsam ist und
in welcher Form? Es gibt zum Glück kein Register über die Anzahl der
Familienmitglieder, mit denen man in Kontakt steht und die Anzahl der Freunde.
Die Beziehungsqualität wird auch nicht erfasst. Es können also Umfragen gemacht
werden, doch Einsamkeit löst oft auch Scham aus und die ist vielleicht so groß,
dass viele Einsamkeit nicht einmal in einer anonymen Umfrage zugeben. Dazu ist
noch zu beachten, dass viele Menschen dem Wort anonym
misstrauen.
Soziale Netzwerke im Internet sind ein Anhaltspunkt, jedoch sind sie einerseits
oft mit falschen oder sehr losen Beziehungen gespickt oder geben nicht über
alle Auskunft, da manche diese Plattformen ablehnen oder nicht aktiv oder
zweckgebunden nutzen. Doch sind einsame Menschen im Internet zu finden? Was ist
mit den alten Leuten? Was ist mit den Jungen, die sich vielleicht sogar für ihr
fehlendes Sozialleben schämen und deshalb keine Profile haben? Und selbst wenn
diese nicht berücksichtigt oder geschätzt werden, wer nimmt an solchen Studien
teil? Daten von Krankenkassen und Sozialen Anlaufstellen lassen auch vieles im
Dunkeln, da die Stereotype über die Annahme von psychologischer oder
sozialdienstlicher Hilfe immer noch sehr stark in den Köpfen der Menschen
verankert sind oder auch der Stolz Hilfe anzunehmen, zu groß ist. Diagnosen
können zudem verschiedene Gründe haben und diese sind nicht ersichtlich.
Erstes Fazit: Wie viele Menschen sich einsam fühlen, ist eine schwer abschätzbare Frage. An was es ihnen mangelt, ist von Fall zu Fall sehr verschieden. Dazu kommt der Aspekt der Hoffnung auf bessere Zeiten oder der Stärke des Gefühls. Während der eine sich vielleicht sicher ist, dass dies nur eine Phase in seinem Leben ist, weil die Einsamkeit gerade durch gewisse Umstände bedingt ist, aber es danach wahrscheinlich besser wird, sieht der andere vielleicht keine Hoffnung und weiß nicht, wie es besser werden könnte.
In den nächsten Tagen gibt es bei uns mehr zu dem Thema!
Maren Zaidan und Stefan Brackmann
Die Bundesvorsitzenden
DIE FÖDERALEN