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Qatars zwei Gesichter

Ein Umgang mit Fragezeichen

Stefan Brackmann, 3. Dezember 2022 08:00 Uhr

Fussball-WM in Qatar

Was haben wir nicht alle gezittert? Nicht, weil der Winter nun Einzug in unser Land hält, sondern ob der neuen Wirklichkeit einer Fussball-Weltmeisterschaft in einem ungewohnten Umfeld in einer ungewohnten Jahreszeit. Das Zittern wegen der hier herrschenden Temperaturen wurde uns bereits genommen, da öffentliche Veranstaltungen im Freien - wie sonst üblich - nicht oder in kaum nennenswerter Anzahl stattfinden.

Wie auch immer diese Veranstaltung zustande kam, sie ist nun einmal da. Ob und wie eine Beeinflussung zustande kam, ist hier nicht von Bedeutung. Wie Qatar vor Ort agiert, wie die Spielstätten zustande kamen, ist die Angelegenheit Qatars! Ebenso die Bedingungen, unter denen sich die Zuschauer vor Ort unterordnen müssen.

Wir können doch nicht jedes Land an unseren Maßstäben messen oder, noch schlimmer, ihnen unsere Rahmendaten vorschreiben. Wer in fremde Länder reist, hat sich immer schon den Regeln und Gesetzen des Reiseziels unterzuordnen.

Im Nachhinein festzustellen, dass es sich bei Qatar um eine islamistische Monarchie handelt, die Menschenrechte anders auslegt, ist vermessen. Dass gerne mit hohen Summen aus dem Verkauf von Wärme erzeugenden Brennstoffen Entscheidungen beeinflusst wurden, ist ebenfalls kein großes Geheimnis.

Wer jetzt jedoch dieses ganze Vorgehen moralisch hinterfragt, hat in der Vergangenheit nicht aufgepasst oder sogar selbst von den oben genannten Spielregeln profitiert. Die immer gerne zitierte Doppelmoral kann man nicht besser zur Schau stellen, als unsere Vorzeige-Politiker in den letzten Tagen. Da wird einerseits trotzköpfig eine Armbinde mit dem One Love-Schriftzug getragen, die (seitens der FIFA für unsere Spieler) verboten und andererseits Verträge mit dem gleichen Land abgeschlossen wurden.

Beide Politiker ließen sich in ihren Reihen daraufhin feiern, was für einen Alptraum in der Außenwirkung das hinterließ, kann man sich kaum ausmalen. Der abgeschlossene Vertrag über die Lieferung von Gas ist auch bemerkenswert. Er entspricht genau 6 Prozent der ausgefallenen Menge, die uns bisher aus Russland zur Verfügung gestellt wurde. Hier werden massive Fehler aus der Vergangenheit (Abschaltung oder Zurückfahren der Energiegewinnung aus drei Quellen) mit sehr teuer erkauften Teillösungen zu beheben versucht. Und das finanzielle Debakel ist da nur ein Teilaspekt.

Das abgeschlossene Abkommen muss rein rechnerisch noch mit 15 anderen Ländern zustande kommen, um unsere Versorgung auf ein Niveau zu hieven, welches vor kurzem noch Bestand hatte. Was hierbei noch völlig untergeht, ist die folgende Tatsache: Was passiert in den nächsten zwei, drei Jahren, bis die Lieferung einsetzt?

Wer ohne Sinn und Verstand versucht, Mechanismen, wie unsere Energieversorgung durch Kompexitätsreduktion zu verändern, muss sich nicht wundern, wenn es schnell dunkel wird. Und das ist nicht nur energiepolitisch gemeint.


Stefan Brackmann
Bundesvorsitzender
DIE FĂ–DERALEN