Als ich kürzlich Teilnehmer eines Thekengespräches wurde, ist dort ein Satz
gefallen, der mir in dieser Form zwar schon öfter begegnet war, aber bisher
nicht dazu gefĂĽhrt hat, dazu einige Zeilen zu verfassen. Doch diesmal kam der
Impuls fast schlagartig, denn es haben sich in der jĂĽngsten Vergangenheit
einige Dinge zugetragen, die summiert eine deutliche Sprache sprechen.
Doch der Reihe nach. Ist es nicht faszinierend, wie ein Ort, an dem man nicht
unbedingt verbale und kognitive Höchstleistungen vermutet, ein Satz ausreicht,
um getriggert zu werden? Welche wunderbaren Worte wurden nun gesprochen?
Die Menschheit entwickelt sich zurĂĽck. Bald gehen wir wieder gebĂĽckt und
grunzend durch die Gegend!
Viele Entwicklungen, die man täglich beobachten
kann, können durchaus diesen Schluss zulassen. Die Kommunikation unter uns wird
immer banaler, kĂĽrzer und zeugt vielfach nicht unbedingt von einem hohen
geistigen Niveau. Viele soziale Plattformen bieten Kurznachrichten an, längere
und tiefer gehende Informationen werden kaum noch konsumiert.
Dies gipfelte darin, dass selbst in den öffentlichen Medien das vorherrschende
Wissensmodell ĂĽbernommen haben und Nachrichten in einfacher Sprache
produzieren. Die Tagesschau, die diese Sendung betreibt, schreibt dazu: Etwa
17 Millionen Erwachsene in Deutschland haben Probleme damit, komplexe Texte zu
verstehen. Damit auch sie sich über aktuelle Themen informieren können, strahlt
die Tagesschau ab sofort Fernsehnachrichten in Einfacher Sprache aus.
Hier
stellen sich mir die Nackenhaare zu Berge, denn in meinen Augen ist das
definitiv der falsche Ansatz. Zu viel steht auf dem Spiel, als genau diesen
falschen Weg zu gehen. Ohne Anstrengung gibt es keine Weiterentwicklung. Das
gilt nicht nur fĂĽr die Sprache, sondern in allen Bereichen. Sie ist jedoch die
Grundlage für ein Verständnis untereinander, ohne die ein Austausch – auch über
komplexe Sachverhalte – nicht möglich ist.
Was bleibt alles auf der Strecke, wenn man sich einem Niveau anpasst, welches einem unangenehm auffällt. Sich diesem anpassen oder versuchen, dieses Missverhältnis zum Positiven zu wenden?
Nur mit einem guten Verständnis der Sprache ist überhaupt erst einmal kritisches Denken möglich. Eine komplexere Sprache führt dazu, sich intensiver mit den Inhalten auseinanderzusetzen und darüber nachzudenken. Fehlende Kenntnisse können erfragt und nachgebessert werden. Das führt zu einem erweiterten Wortschatz, dies steigert die weitere persönliche und auch berufliche Entwicklung Dies alles fördert kritisches Denken und die Fähigkeit, Inhalte zu verstehen, zu analysieren und sich eine eigene Meinung zu bilden. Mit einer komplexeren Sprache können Sachverhalte wesentlich differenzierter betrachtet werden, wir kommen weg vom Ja / Nein oder Schwarz / Weiß – Denken und können die Zwischentöne und Farbabstufungen wahrnehmen und beschreiben. Nur so lässt sich auch ein realitätsgetreueres Bild der Welt darstellen. Durch Vereinfachung bleiben viele Sachverhalte und Nuancen auf der Strecke, was zu Ungenauigkeiten und damit verbunden auch zu Missverständnissen führt.
Darüber hinaus wird eine intellektuellere Zielgruppe mit einfachen und monokausalen Aussagen nicht erreicht. Eine weitere Entfremdung wird dadurch provoziert. Nur durch eine komplexere Sprache können wir uns weiterentwickeln, können unsere kulturelle und intellektuelle Vielfalt darstellen und unsere Zukunft bereichern und gestalten. Unsere Gesellschaft sollte sich die Chancen auf eine positive Zukunft nicht durch immer weitere Anpassung an eine vermeintlich einfache Welt verbauen.
Stefan Brackmann
Bundesvorsitzender
DIE FĂ–DERALEN
Quelle: Tagesschau: https://www.tagesschau.de/inland/tagesschau-start-in-einfacher-sprache-100.html