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Wissenschaft mit Fragezeichen

Immer schön nach Schema denken

Maren Zaidan, 13. Februar 2025 11:00 Uhr

Methodik, Statistik, Denkweise, Veröffentlichung, Karriere, ...

Die Wissenschaft und Forschung hat ein großes Problem. Es beginnt im ersten Semester und endet hoffentlich nicht im Zusammenbruch.

Studenten von Studiengängen, die im Bereich Forschung enden könnten, lernen in den ersten Semestern Methodik. Auch wenn diese Methodik unumstritten ihren Sinn hat und ihre Berechtigung hat, gibt es Haken. So gehen junge Menschen an die Universität, um die Welt besser zu machen und ihre Visionen zu verwirklichen. Das Ganze wird zunächst in Denkmuster gepresst und gelehrt, dass ein Ergebnis nur auf einem anderen aufbauen kann. Das Ganze hat wirklich Gründe und seinen Sinn, aber gleichzeitig sperrt es neue Denkansätze aus. Die neuen Fragen dürfen Forscher stellen, die so lange in diesem System sind, dass ihre Denkweise meist bereits in den Schranken bleibt. Doch um zu bestehen und um überhaupt eine Chance zu erhalten, muss so gearbeitet werden.

Wer hinterfragt und eigene logische Denkansätze bringt, wird belächelt und bekommt mangelndes Verständnis oder sogar angebliche Dummheit diagnostiziert. So wird in manchen Gebieten Philosophie zur Pflicht gemacht, obwohl mehr klassische Naturwissenschaften für das Grundlagenverständnis Sinn machen würden. Dann werden beispielsweise chemische Abläufe auswendig gelernt ohne Verständnis, was eigentlich passiert. Ein paar Jahre später beruhen dann auf diesem Halbwissen die eigenen Forschungsergebnisse. Es gilt oft so zu tun, als wäre das das einfachste der Welt, damit der andere sich zu sehr schämt, um eine Erläuterung zu fordern. Leider bekommt man an den heutigen Universitäten für zusätzliche Wissensaneignung die Frage, warum man das macht. Diese Frage wird jedoch nicht im positiven Sinn gestellt. Zu viel Wissen und Verständnis ist aus irgendeinem Grund dumm oder ungewollt.

Wohingegen in anderen Staaten ein Suchen des eigenen Forschungsgebietes unabhängig von den Mitarbeitern der Universität möglich ist, wird in Deutschland selbst die Meinung des Dozenten als festes Wissen dargeboten. Das merkt man spätestens bei einem Uniwechsel, wenn der Held des eigenen Fachgebietes plötzlich zum Bösewicht wird. Durch die Massenabfertigung kann man aber nicht mehr wirklich von Denkschulen oder Schüler des Professors XY reden. Die meisten Studenten existieren sozusagen nur als Nummer.

Weiter geht es mit den üblichen Themen. Forschungsgelder werden nach Trends und politischer Situation vergeben. Über diese Themen wird ungern gesprochen, aber so mancher Wissenschaftler hat seine Anstellung verloren, weil es einfach einen Interessenwandel gab. Gleichzeitig werden der Bevölkerung immer mehr diese Trendthemen einseitig vorgeführt, um das Bild zu vermitteln, es gäbe nur diese eine Theorie. Selbst Akademiker, welche nicht für die Forschung ausgebildet wurden, glauben dann der Satz “kein Forschungsergebnis steht endgültig als Wahrheit fest” wäre ein Zeugnis von Unbildung. Leider bilden wir auch Lehrer so aus. Auch wenn diese meist nicht forschen, ist das fatal, da auch viele ihrer Schüler nie forschen werden und damit nur solche Glaubenssätze mitbekommen.

Während die Philosophie seit langem sozusagen in einer Krise steckt, weil sie sich in verschiedene Fachgebiete gespalten hat, die nun zum Beispiel empirisch arbeiten, statt Erklärungen nur zu erdenken, erhebt sie sich immer noch zur Bildungselite. Philosophen erklären der Bevölkerung die Welt und geben vor, wie gedacht werden sollte. Selbst das universitäre Zusammentreffen von Philosoph und Experten eines Gebietes wird oft absurd.

Auch in der Forschung ist Vitamin B von großem Vorteil. So bilden sich Zitierkreise, also Forscher, die sich gegenseitig immer wieder zitieren, um sich gegenseitig die Zitationen hochzutreiben. Zitiert werden ist sozusagen die Währung der Wissenschaft.

Während wir immer wieder darüber reden, wie die Zeitungen mit Fotobearbeitung das Selbstbild der Menschen zerstören (wobei dies inzwischen ganz neu zu hinterfragen ist), ist Foto- und Bildbearbeitung in manchen Forschungsbereichen ganz normal. Die Frage, wo die Grenze zu Forschungsbetrug ist, führt meist nur zu einem Grinsen. Dieses Grinsen sagt mehr als jede Erklärung.

Die weiteren Probleme sind inzwischen an vielen Stellen besprochen. Die Ausrichtung, Finanzierung und Auswahl der Wissenschaftsliteratur wird von den Forschern selbst besprochen. Die Finanzierung der Forschung und die Bezahlung der Mitarbeiter sind inzwischen durch die normale Presse gewandert und das Problem wird von der Politik verschlimmbessert. Die Auswahl der Probanden wird innerhalb der Universitäten diskutiert und kritisiert, aber nicht geändert. Die etlichen anderen Probleme werden auch an verschiedenen Stellen veröffentlicht, aber daran wird nicht gearbeitet.

Zu viel kritisches Denken führt dazu, dass Menschen nie in die Forschung kommen oder rausfliegen. Also werden Fragen nicht gestellt. Kritik wird nicht geäußert. Zumindest wird nur halbkritisch darauf geblickt, solange man in diesem System ist oder die Chance hat, reinzukommen. Das ist der nächste Punkt. Wissenschaft ist heute mehr Status als Leidenschaft oder der Wille, etwas zu bewegen. Viele Wissenschaftler wissen selbst nicht so richtig, was ihre Forschung der Welt hilft. Irgendwann sollen die etlichen Papers zusammen wieder einen Sinn erbringen. Aber wer all das zusammensetzen kann und auch noch versteht und wann das so sein wird, ist nicht bekannt. Dazu kommt der Fakt, dass beispielsweise ehrliche Versuche der Replikation zeigen, wie Forschungsergebnisse verfälscht sind, um Erfolg zu haben. Wir bauen auf einem zerlöcherten Jenga-Turm auf. Ob das ganze Puzzle am Ende also überhaupt zusammengesetzt werden kann oder ob es dann Sinn ergibt, ist eine sehr beängstigende Frage. Auch diese Frage geht viel weiter und der Jenga-Turm existiert in der Gesamtgesellschaft, auch das ist ein weiteres Thema.

Dieser Artikel muss unter der Annahme gelesen werden, dass nicht alles nur Betrug, Status und Unwissen ist. Gleichzeitig erhebt der Artikel keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Viele Themen habe ich weggelassen, weil es viele weitere Quellen dazu gibt und andere von Menschen mit anderem Hintergrund besser besprochen werden können.

Gleichzeitig verfallen viele Menschen in eine Ablehnung von wissenschaftlichem Wissen und Forschung. Dieser Bereich ist inzwischen genauso eine Gefahr für Leben und Gesellschaft geworden. Auch hier muss gefragt werden, wie es dazu kam.


Maren Zaidan
Bundesvorsitzende
DIE FÖDERALEN