Die Pisa-Studien haben nicht nur Befürworter. Es wird kritisiert, dass die Pisa-Studien den Fokus zu sehr auf Mathematik und Naturwissenschaften setzten und somit andere Bildungsbereiche vernachlässigen. Dennoch sind Naturwissenschaften und Mathematik in einer immer komplexer werdenden Welt von Bedeutung. In einer nahen Zukunft, in der viele alte Berufe wegfallen und es mehr Künstliche Intelligenz wie auch Automatisierung geben wird, benötigen wir immer mehr Ingenieure und Naturwissenschaftler.
Abgesehen von der noch nicht sicheren Zukunft, haben wir jetzt bereits ein Problem. Laut Pisa und meiner Alltagserfahrung mangelt es vielen an guten Mathematikkenntnissen. Und wenn wir über mangelnde Statistik-Kenntnisse sprechen, betrifft es einen viel größeren Anteil von der Bevölkerung. Beim täglichen Nachrichten Lesen begegnen uns jedoch ständig Statistiken. Die veröffentlichten Statistiken sind - ausgenommen immer bekannter werdenden Tricksereien in der Forschung - oft verfälscht.Wenn ein großer Teil der Bevölkerung wenig bis keine Statistikkenntnisse besitzt, kann dieser Teil keine eigene Meinung bilden und auch nichts Sinnvolles aus den Statistiken schließen. Falschdarstellungen, Falschinterpretationen und Verzerrungen können erst recht nicht festgestellt werden. Es ist ein wenig wie im dunklen Mittelalter: Wer Statistiken nicht lesen kann, muss glauben, was der Journalist ihm erzählt.
Es hört nicht bei den Statistikkenntnissen auf. Viele Medienberichte übersetzen wissenschaftliche Artikel in eine leicht zu verstehende Sprache. Dies ist auch gut so, den niemand kann alles lernen. Doch unsere Schulen vermitteln keine Kenntnisse darüber, wie Forschung und Wissenschaft funktionieren. Wenn ich nicht weiß wie Studien durchgeführt werden, was zu beachten ist und an welchen Stellen gern Forschungsbetrug oder Manipulation stattfindet, kann ich auch nicht kritisch mit den Inhalten umgehen, die mir präsentiert werden. In den wenigsten Schulen, wenn nicht sogar in keiner Schule wird gelehrt, wie die verschiedenen Gebiete der Wissenschaft vorgehen. Selbst im Schreibstil und im Naturkundeunterricht wird ein falsches Bild vermittelt. Oft wird kritisiert, dass unsere Schulen die natürliche, angeborene Neugier der Kinder abtöten. Nicht jedes Kind wird in die Forschung gehen können, auch nicht jedes Kind wird es jemals wollen, aber könnten Schulforschungsprojekte nicht etwas realitätsnaher durchgeführt werden und würde dies nicht die Neugier der Kinder ein wenig mehr am Leben halten?
Der Strudel in unserem Bildungssumpf hört nicht auf. Die Ausbildungsinstitute, angefangen bei den Ausbildungsbetrieben bis hin zu den Universitäten, bemängeln das immer weiter fallende Niveau der Ausbildungsanfänger und Studenten. Das erste Semester enthält nun Inhalte, die früher noch von den Gymnasien vermittelt wurden. Das Niveau sinkt. Weitergedacht werden aus den Erstsemestern ein paar Jahre später Doktoranden und Forscher rekrutiert. Ein hohes Selbstwertgefühl ist oft da, aber kann dieses oft falsche Selbstwertgefühl über mangelnde Bildung hinweghelfen? Können ein paar Semester an der Hochschule ausgleichen, was die Schulen nicht leisten konnten? Können wir Innovation und haltbare Forschungsergebnisse liefern, wenn die Forscher von Anfang an wenig Chancen auf eine gute Bildung hatten?
Das Resultat ist eine Bevölkerung, die nicht in der Lage ist, kritisch zu denken. Nicht weil sie es nicht möchte, sondern weil es an Hintergrundwissen fehlt. Das Resultat: Arbeitgeber, die keine kompetenten Auszubildenden und Spezialisten finden; eine Wirtschaft und Wissenschaft, die keine Fortschritte leisten kann und damit ein Land in dem sich dringend etwas ändern muss.
Wir sollten in Zukunft also den Fokus mehr auf ein Bildungssystem setzen, indem
Auszubildende und Studenten am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn nicht
schockiert sind und auch nicht schockiert werden. Mathematik und
Naturwissenschaften sind dabei wichtig. Nicht zu vergessen ist, aber auch, dass
wir Menschen sind und miteinander Leben müssen. Das Bildungssystem versucht den
Jugendlichen mit Themen wie deine Idole
und die erste
Liebesbeziehung
näher zu kommen. Doch ganz im Ernst, über die allerliebste
Band reden Teeanger von allein viel zu viel und wer möchte mit dreizehn Jahren
mit dem kurz vor dem Ruhestand stehenden Lehrer über den heimlichen Schwarm
reden? Stattdessen wird ignoriert, dass wir viele Elternhäuser haben, die ihren
Kindern nicht genug Geborgenheit geben, Mobbing an vielen Schulen vorherrscht
und wirkliche emotionale Intelligenz gefördert werden sollte. Lehrer sind
Akademiker und vergessen oft, dass nicht alle ihrer Schüler selbst Akademiker
werden. Es nicht nicht bemitleidenswert, einen Ausbildungsberuf zu erlernen. Im
Gegenteil, ohne die Ausbildungsberufe wäre das Leben der Akademiker viel
schwieriger. Wer schon einmal etwas wirklich selbst gebaut hat, wird merken,
wie viel Mühe und Geschicklichkeit beispielsweise in den Handwerksberufen nötig
ist. Diese Erfahrung kommt leider für viele Menschen auch nicht mehr, da in den
Schulen zum Großteil der Werkunterricht ersatzlos gestrichen wurde. Wer heute
nicht mit Opa in der Garage werkelt, wird es nie oder erst sehr spät lernen.
Wir leben in einem Land in dem es vielen durch den Beruf und die
Haushaltssituation nicht möglich ist, sich um die jüngsten und die ältesten
Familienmitglieder zu kümmern. Verwandte sollten uns viel bedeuten, warum
bedeuten uns dann die Menschen, die uns Arbeit abnehmen,die in Sozial- und
Pflegeberufen tätig sind nicht genug, um sie gut zu bezahlen? Woher soll die
Motivation für ein Studium kommen, wenn eine ganze Generation in
Praktikumsschleifen oder ähnlichen gehalten wurde und wird? Wir brauchen eine
umfängliche Bildung. Es geht nicht um Frontalunterricht versus Spielerisch oder
um Gruppenarbeit versus im Buch ausarbeiten.
Alles hat an bestimmten Punkten seine Vorteile, auch das wissen wir heute. Wir brauchen ein Bildungssystem, welches eine breite Abdeckung von Themenbereichen bietet, realitätsnah ausbildet und menschlich ist. Wir brauchen Konzepte für lebenslanges Lernen, die jedem zugänglich sind. Wir brauchen faire Bezahlungen und gegenseitige Anerkennung. DIE FÖDERALEN sind für eine Verbesserung des Bildungs- und Forschungssektors.
Maren Zaidan
Bundesvorsitzende der Partei DIE FÖDERALEN
Essen, den 11.07.2020